In den Vampirbüchern ist die Welt aufgeteilt in Blutsauger und Blutgesaugte. Dazwischen ein Mädchen, ein Kombiprodukt - jungfräulich liebend und erosmächtige Vampirin. Das ist die ganze Struktur. Fantasyromane dagegen sind gefahrvolle Reisen zu einem Erlösungsgegenstand (zaubergewaltig) und einer Unerlösten (blond). In Thrillern erfasst das Böse jeden Winkel. Der rationale Aufklärer wird vom Irrationalen fortgerissen.
Diese Strukturen kann ich unbesorgt benutzen. Ich nehme keinem lebenden Autoren etwas weg. Die untoten Blutsauger stammen aus slawischer Mythologie. Heute beißen die Collegemädchen, früher die Grafen. Das Nibelungenlied, die Odyssee ist Fantasy. König Ödipus, Hamlet sind Thriller. Alle diese Werke beziehen sich wieder auf Urformen aus vorschriftlicher Zeit.
Hier noch mal für euer Clipboard:
Alle Romane als horizontales Schreiben leben von der (quasi elektrischen) Spannung. Ohne A-Pol und B-Pol geht es nicht. Es gibt einen C-Pol nur als Verbindung von A und B. Freud hat Es (=Trieb), Ich (=Vernunft) und ÜberIch (=Erziehung) unterschieden. Das Ich ist das Verbindungsglied zwischen Es und ÜberIch. Das Diagramm ist also nicht A - B - C, sondern A - AB - B. Eine Verteilung in der Ebene darunter ist zulässig. Das Vampirmädchen hat auch A-, AB- und B-Freunde. Eigentlich ist erklärlich, dass es nur dieses Grundmuster gibt. Innen und Außen gibt es, und eben die Grenzlinie. Jeder Mensch hat ein Innenleben und eine Außenwelt. Er selbst steht mit seinem Bewussstsein dazwischen. Drei Möglichkeiten, keine vier.
Im modernen Vampirroman bilden das Böse und das Gut im Vampirmädchen eine spannungsvolle Einheit. In Fantasyromanen tritt das Gute eine Reise in die Welt des Bösen an, um das Gute zu befreien. Im Thriller verschwinden die Trennlinien zwischen Gut und Böse. Diese Konstellationen sind stark von der Religion geprägt.
Durchaus ist eine Konstellation auch ohne religiös-moralische Ausprägung darstellbar. Im Liebesroman steht die Liebende zwischen Verlockung und Vernunft. Soll Scarlet O'Hara einem Abenteuerer wie Captain Rhett Buttler nachgeben oder ihrem Pflichtgefühl gehorchen und den Langeweiler - wie hieß noch? - heiraten? Das ist eine deutlich Freudsche Konstellation, der für die religiöse Unterteilung Hölle - Erde - Himmel neue Begriffe geprägt hat.
Auch in Krimis geht es weniger religiös zu als im Thriller. Auch hier haben wir Opfer, Täter und den Aufklärer, aber der Abstand zwischen ihnen ist größer. Man denke nur an die Heile-Welt-Krimis von Agatha Christie. Im Thriller ist das Böse ausgeprägter. Bei Tom Clancy kommen sich Islamisten und Weltretter bedrohlich nah. Es wundert also nicht, dass es in einem Kuhdorf wie dem schwedischen Ystad mehr Serientäter als Falschparker gibt. Wer Thriller schreibt, braucht einen Serientäter. Gerade wenn die Bedrohung der Aufklärungsneugier weichen will, geschieht ein neuer, schrecklicherer Mord. Und so fort und so fort, bis der Autor seine 400 Seiten für € 19,95 zusammengebracht hat.
Fantasy wie auch viele Historische Romane sind Reiseromane. Nachgestellt ist eine Menschenzeit. Die Hauptperson ist erst im Zustand der Unschuld, sickert dann nach und nach in die unmittelbare Kampfzone ein, um dann im Alter zurückzublicken. A, AB, B sind also Phasen, nicht Personen.
Gewöhnt euch an, jedes Buch, das ihr gelesen habt, nach einer Struktur abzusuchen. Erkennt ihr das Grundmuster, dann versteht ihr auch, warum so geschrieben wird. Es dient dem Ausbreiten des Romanstoffes. Tom Clancy braucht eine starke Wäscheschnur, um seine ganzen Armeeklamotten aufzuhängen. Die Odyssee besteht aus Kurzerzählungen, die nur durch die Ehefrau ein Ende findet. Wäre es ein Ende gewesen, wenn Homer ihn bei Kirke hätte versacken lassen? Scarlett O'Hara und 1.000 Seiten Rhett Butler? Das wäre ein kurzer Krimi geworden, kein langer Liebesroman. Wir sehen, die Struktur eines Romans ist wie das Stangengerüst von einem Zelt.
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