Donnerstag, 13. Oktober 2011

Rezension: Eugen Ruge - In Zeiten des abnehmenden Lichts


Trister Abgesang auf eine ostdeutschen Funktionärsfamilie

Der Autor zeichnet das Leben von Wilhelm und seiner Frau Charlotte nach, beide Parteiaktivisten der ersten Stunde, die aus ihrem Exil in Mexiko in die DDR übersiedeln, um sich mit einer privilegierten Stellung am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen. Obwohl sie keinerlei Qualifikation vorwiesen können außer Anpassungsfähigkeit an die jeweilig herrschende Parteilinie, steigen sie im Mittelbau des Parteiapparats auf. Gut versorgt und großzügig bedacht mit staatlich verordnetem Ansehen blickt Wilhelm 1989 im letzten Abendlicht der DDR auf sein Leben zurück.

Der Roman ist nicht schlecht geschrieben. Aus jeweilig anderer Perspektive passieren die Jahre nicht Revue, sondern werden geschickt übereinander geblendet, sodass sich ein vielschichtiges Bild ergibt. Alle Familienmitglieder kommen im Innenausblick zu Wort. In der Gesamtschau, über die Jahre und aus den verschiedenen Sichtweisen heraus ergibt sich das Bild einer Familie, die sich mit dem Auseinanderfallen ihres Staates untereinander fremd wird.

Dennoch ist dieses Buch schlicht grauöde und langweilig. Es kann auch nicht anders sein, weil die Familie, die Euge Ruge zum Gegenstand gewählt hat, Mittelbau einer Funktionärsschicht ist, die selbst in den Toplagen borniert und ferngesteuert war. Alle Mitglieder der Familie hinken der Entwicklung weit hinterher. Erst 1989 wird leise und mutlos Kritik geübt. Eugen Runge ist ein scharfer Beobachter. Aber er hat einen Gegenstand gewählt, der nicht der Beobachtung wert ist.

Anschaulich und erlebbar wird die Spießigkeit und geistige Stumpfheit der DDR. Zwar leiden die Romanfiguren nicht an diesem Staat, sondern werden von ihm mitgetragen. Dennoch ist jeder von ihnen an einen Punkt gekommen, wo ihm die Zukunft abhanden gekommen. Nur Stammvater Wilhelm ist Stalinist sein Leben lang geblieben. Für eine Veränderung fehlen ihm schlicht die geistigen Voraussetzungen. Die nahtlos einsetzende Alzheimer-Erkrankung bleibt daher weitgehend unerkannt.

Das Buch zeigt die feinsten Risse selbst in der Schicht der uneingeschränkt Privilegierten. Ich als Leser frage mich aber, ob dies von irgendeinem Belang ist. Das Schicksal dieser Figuren ist eine gut ausgepolsterte Existenz, deren Bedeutung sich ihnen, aber auch mir nicht erschließen will. Sie gehören weder zu den Tätern noch zu den Opfer. Weder zum Vor noch zum Zurück leisten sie einen Beitrag.  

Vielleicht darf ein Buch, dass den Deutschen Buchpreis gewinnt, nicht unterhaltsam sein. Ich weiß es nicht. Es erfüllt sicherlich all die ausquotierten Erwartungen des Preiskommitees. Es ist deutsch (3.Oktober !!), kommt historisch bedeutend daher. Es ist stilistisch einigernmaßen anspruchsvoll und irgendwie tiefschauend. Die Erwartung der Preisgeber wurde wohl erfüllt. Meine Erwartung wurde nicht erfüllt.

Zugegeben, das Leben in der DDR ist den Westbürgern reichlich unbekannt. Einmal im Jahr am 3. Oktober wird Erinnern staatlich verordnet. Das ist sicherlich wenig. Eine Familiensaga aber schildert die menschlichen Veränderungen vor bewegtem historischen Hintergrund. Dazu eignet sich weder die DDR - die ja nun nicht mehr als ein Trabant Moskaus war - noch diese selbst für DDR-Maßstäbe nebensächliche und uninspirierte Familie.

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