Samstag, 11. Juni 2011

I.27 Wir schreiben für unsere Kritiker

Deutscher Kritiker können uns egal sein. Keiner von ihnen würde einen Indie-Autoren besprechen. Papierschriftsteller dagegen sind auf die Kritiker fixiert. Unsere Indie-Ebooks treffen ohne vorfilternden Kritiker direkt auf die ungeordnete Masse der Leser. Für diese schreiben wir, nicht für Einzelkritiker. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Kritiker der deutschen Papierbuchautoren lesen nur, was andere Kritiker und Buchprofis lesen. Es ist ein geschlossener Kreis von Feuilleutonisten, von Buchpreisverleihern, von Magazinbloggern. Alle haben eine durchaus einheitliche Erwartungshaltung und wollen diese nicht enttäuscht sehen. Da sich sowohl die Leser als auch die Autoren danach richten, entsteht ein geschlossener Kreis von seit langem abgestimmter deutscher Literatur. Sollte ein deutscher Autor die ausgetretenen Pfade verlassen und sich durchs Unterholz kämpfen? 

Neues kommt aus dem Ausland, wo dieser Kreis aufgebrochen ist. Neue Themen, neue Stimmen. Viele junge Autoren kommen aus den jungen Demokratien. Völlig neue Herangehensweise entstehen auf dem Boden gewaltiger Umbrüche. Nicht umsonst kommen soviele aufsehenerregende Bücher aus Osteuropa. Ein Kritiker- und Buchpreiswesen, eine Verlagshierarchie hat sich nocht etabliert. Das Altüberkommene ist nicht heilig gesprochen. Derart gute Literatur wächst auf 1.000 Rissen. Ich will dort nicht geboren sein, aber für das Schreiben wäre es gut.

Meine Vorbilder als reiner Ebook-Autor sind nicht die deutschen Schriftsteller - viel besprochen und wenig gelesen. Mein Vorbilder sind auch nicht die jungen Stars aus Osteuropa. Das ist - nebenbei gesagt - auch gut so, denn die sind wirklich gut. Ich als Ebookautor habe es mit einer globalen Literaturszene zu tun - einer Globalbelletristik eben.

Meine und eure Kritiker sind die Ebookleser. Wenn ich für die Ebookleser schreibe, dann muss ich feststellen, dass sie ziemlich viel Sch... lesen. Darauf bin ich bereits eingegangen. Noch nicht gesagt wurde, dass diese Ebooks - was immer ich davon halte - absolut international sind. Jedes dieser Bücher lässt sich wie eine genügsame Pflanze umstandslos in fremde Erde eingraben. Sie gedeihen unter allen Bedingungen. Am ehesten brauchen die Thriller und Krimis eine Pflegeanleitung.

Ein nationaler Schriftsteller - ob nun altväterlich aus Deutschland oder jungendfrisch aus Osteuropa - braucht keine Struktur. Er arbeitet mit Details. Diese bilden sein Konstrukt. Bücher, die eine klare Struktur haben, werden von den Kritikern recht schnell der Unterhaltungsliteratur zugeordnet. In der Sprache der Friseure: Scheitelfrisuren sind out, verwuselte Geldrisure sind in. Rückblickend betrachtet ist diese Wertung willkürlich und falsch: Große Literatur folgte oft einem klaren, vielfach benutzten Schema: Dr. Schiwago ist ein Liebesroman, der zur Zeit der Russischen Revolution spielt.

Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb,
sie konnten beisammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

Es gibt zahllose Beispiele in der Weltliteratur für Scheitelfrisuren. Dennoch gibt es im Augenblick, im aktuellen Buchangebot, tatsächlich nur zwei Arten von Büchern, strukturlos und schematisch, klein-klein und groß-groß. Letztere sind tasächlich überwiegend im Bereich der leichten Leseunterhaltung zu finden.

Weil mein Self-Publishing-Buch aktuell sein soll, beschäftige ich mit den Arten von Ebooks, die im Augenblick tatsächlich gelesen werden. Kann sei, dass sich das ändert, wenn ein großer Konsumentenblock - wie z.B. Frauen um die 50 oder Senioren - von holzhaltig auf digital umsteigt. Im Augenblick ist das noch nicht der Fall. Aktuell habe ich es mit drei Genres zu tun: Fantasy, Liebe (blutig, unblutig), Thriller-Krimi. Die Historischen Roman zähle ich nicht, weil darin die drei vorgenannten Genres nur eingekleidet werden.

[Einschub] Den sehr nachgefragten Bereich der Sach- und Fachbücher blende ich völlig aus, weil hier das Schreiben vom Thema bestimmt wird, und es unüberschaubar viele Möglichkeiten gibt. Auch Kurzgeschichten lassen rausfallen, weil ich sie als Romanvorstufen ansehe. [Einschub]

Bei den typischen Ebookautoren aber wird immer eine sehr einfache Struktur sichtbar, auf die ich im nächsten Kapitel gesondert eingehen werde. Hier sei nur soviel gesagt, dass uns Indie-Autoren der Einstieg ins Schreiben durch eine klare für alle vorgegebene Struktur leicht gemacht wird.

Für meinen Roman brauche ich keinen Aufbau zu entwickeln. Dieser Herausforderung stellt sich kein bekannter Autor der Unterhaltungsliteratur. Wieviel weniger sollten wir Jungautoren uns damit abplagen. Gestalten wir die vorgegebene Gattungsstruktur aus. Dazu noch behutsame, verstohlene Anleihen bei unserem Lieblingsautor. Mehr sollte nicht nötig sein, dass unser Kind das Laufen lernt.

In den anschließenden Kapiteln von Teill II geht es um die praktische Seite des Schreibens.