Dienstag, 11. Oktober 2011

Transmedia Storyteller - mein kleines Howto

Spiegel Online: Bei der Frankfurter Buchmesse gibt es eine Konferenz namens "Storydrive", die Grenzen zwischen Film, Buch und Spiel niederreißen soll. Sie selbst nennen sich selbst "Transmedia Storyteller", transmediale Geschichtenerzählerin. Was soll das bedeuten?
 

Anita Odine: Es geht um Erzählungen, die über diverse Plattformen hinweg und auch in der realen Welt ablaufen. Es geht um die Entwicklung des Geschichtenerzählens von einer einzelnen Seite oder einem einzelnen Bildschirm weg hin zu vielen Seiten, Bildschirmen, Orten und Zeitpunkten.

Das passt! Ich hatte in letzter Zeit öfter das Gefühl, dass meinem Roman irgendetwas fehlt. Ist doch klar, mein Geschöpfe springen herum, klettern auf Mauern, brandschatzen, vergiften und morden - und irgendwie der Leser soll im Sessel auf seinem Hintern sitzen und dem Treiben teigig teilnahmslos beiwohnen? Was ist das für ein Mensch!? Hat er nicht mehr Charakterstärke als sein Sörä-Sitzkissen?

Doch halt! Ich bin daran schuld, ich, der monomediale Autor. Der Mann könnte wollen, wenn ihm denn Gelegenheit geboten werden würde. Arbeite wir daran: Stellen wir ihn auf die Probe. Zuerst einmal streiche ich die Beschreibung der Innenräume. In seiner sanften Farbigkeit eignet sich ein WOHNIDEE-Rundblick tatsächlich besser. "Unser Held betritt den Raum. Ihm war, als habe er alles schon hundertmal gesehen."

Schon ist die Grenze überschritten. War das schwer? Nein. Also soll es nicht dabei bleiben. Überschreiten wir eine weitere Grenze. Hinaus in die Stadt, ins neu eröffnete McDonalds, bahnhofnah. Dort gibt es das 12. Kapitel als Teil einer doppellagigen Rabattaktion. Der gesättigte Leser folgt meinem Helden weiter. Sie durchqueren den anbei liegenden Drogenpark mit einem Handy am Ohr. Sie werden angebettelt, bepöbelt und überfallen. Am Ausgang treten sie ohne Handy in eine gebrauchte Spritze.

Da wir nun schon einmal dabei sind, die reale Welt betreten zu haben und die Ambulanz bereits verlassen haben, lasse ich mir etwas einfallen. Im Starbucks trifft unser Leser rechtzeitig ein, um vom standörtlichen Sicherheitsdienst eine Einweisung für den Nachtdienst zu erhalten. "Wer schläft, fliegt raus. Wer Ärger macht, kriegt direkt auf die Mütze. Kannst du das behalten?" Unser Leser konnte folgen und bekommt einen Teaser in die Hand gedrückt.

Jeder Autor ist aufgerufen, seiner Phantasie keine Grenzen zu setzen. Eine Autovermietung und der grenznahe Center Parc  lädt ein. Auf einer Kretareise lüftet AirBerlin letzte Geheimnisse. EwigeTreue24.de lädt Leser und Leserin gemeinsam in das außersaisonale Venedig. AmericanExpress schickt die neue Goldcard und das 17. Kapitel. Ich habe eine Agentur verpflichtet. Der Roman schreibt sich nun von selbst.

Nun schreibe ich einen Roman über die liebe, gute, transmediale Anita Odine. Sie weiß zuviel. Unheimliche Dinge geschehen. Meine Romanverschwörer schicken ihr ins Reallife einen Mörder hinterher. Er hat in einem anderen Roman das Morden gelernt. Ein nicht wenig verrückter Autor hat ihn dort in die Rolle des Täters hineinversetzt. Meiner guten Anita habe ich ein Exemplar meines Romans geschickt. Nun ist sie auf der Flucht.