Eine neue Software wird in den Gliederungen der Volksparteien aufgespielt. Es handelt sich um Phrase 2.0, ein brandneues Programm, das kurze Stellungnahmen bis zu langen Reden generieren kann. Es kam als gebrannte CD bei den Kreisverbänden an. Verdächtig, verdächtig. Meine Quellen sagen mir, dass es sich um Kopien eines illegalen Downloads vom notorischen Copyrightverletzter Siegfried Kauder handelt. Wer Bildrechte mit Füßen tritt, dem sind die Rechte von Softwareentwicklern nicht anders gleichgültig.
Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass es sich um eine Betaversion des Programms handelt. Zahlreiche Resultate zeigen, dass das Programm einer Nachreifung bedarf. Wer wie Pofalla die Regler Sprachfrische und Volksnähe gleichzeitig anhebt, dem entfahren Sätze (BILD war dabei!) zum eigenen und fremden Entsetzen.
Dass die Software auch die Entschuldigungen aus dem vorhandenen Material generiert, genügt nicht immer. Ich vermute, Pottfalla verweist seinerseits nicht auf den Programmfehler, weil er weiß, aus welch dunklen Quellen Siegfried Kauder gemeinhin seine Programme bezieht. Auch Sätze wie: "Ich will mich bis zur letzten Patrone gegen die Feinde unserer Sozialysteme verteidigen." (Seehofer von der CSU) zeigen einen gravierenden Mangel der Betaversion: Die Hilfedatei ist nicht enthalten.
Nicht wenige Äußerungen der Parteien verraten, dass Phrase 2.0 dort benutzt wird. Die einzige Partei, die erkennbar nicht das Copyright an diesem Programm verletzt hat, ist die Piratenpartei. Frage an Nerz von den Piraten: "Ist Ihnen diese Ahnungslosigkeit peinlich oder ist sie Programm?" Seine Antwort: "Natürlich könnten wir so tun, als hätten wir für alles schon eine Antwort. Aber unsere Partei ist jung. Wir stehen dazu, dass wir Lücken haben."
Letztlich ist ihm als intelligentem Politiker bekannt sein, dass Phrase 2.0 nicht eigene Nachforschungen und Sachkenntnis entbehrlich macht. Phrase 2.0 unterstützt den Prozess der sprachlichen Ausarbeitung, ersetzt aber nicht die Einarbeitung. Immer wieder sehen wir Politiker, die in ihrer Rede zögern, weil ihnen der Kontrollverlust über das gesagte Wort unheimlich geworden ist. Wer sich nicht einarbeitet - das sei noch einmal gesagt - liefert sich diesem Programm aus.
Das Programm kann viel. Schon Phrase 1.4 hat bewirkt, dass die Politiker sprachfrischer und witzsicher auftraten. Wo früher die Phrase selbst ("Die Sache ist noch nicht in trockenen Tüchern.") in den Parteigliederungen weitergereicht wurde, gehören niedergliedrige Phrasologie und Rethoriksentenzen aus der Schülerunionzeit erfreulich der Vergangenheit an - stieß doch jede wiederholte Phrase auf Ablehnung, weil dahinter ein bereits abgelegter Gedanke vermutet wurde.
Eine gewisse Schadenfreude haben sich die Macher von Phrase 2.0 nicht verkneifen können. Der Geschäftsführer Horst Lenzer sagte uns: "Ein illegaler Download kann niemals ein Ersatz für den ehrlichen Kauf eines unserer Produkte sein."
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