Montag, 12. September 2011

Rezension: Der Blog Joe Konrath (3)


Beitrag Joe Konrath (2)

Ich gestehe, in meinem zweiten Beitrag habe ich ein wenig übertrieben. Ich werde also zurückrudern müssen. Hier und sofort. Erstens: Ein 1.000.000-Klicks-Blogger ist keine frühgriechische Hysterikerin. Zweitens: Kassandra trug keine gelbe Sonnenbrille. Soviel dazu.

Und doch - wie weit muss ich eigentlich zurückrudern? Wie Joe Konrath war auch Kassandra über alle Maßen bekannt. Niemand hat ihr geglaubt, weil Apollon es nicht zuließ. Aber zugehört haben sie alle, die Trojaner. Kassandra war ihre eigene Wanderbühne. Ihre Gesichte wurden live übertragen. Paparazzis. Twitter. Wenn Kassandra den Atem anhielt, hielt auch Troja den Atem an.

Joe appelliert in seinem Beitrag, uns Dickfelligkeit zuzulegen. "Lasst nichts an euch heran", sagt er. "Die Idioten, die euch kritisieren, lasst sie am allerwenigsten an euch heran." In einem anderen Beitrag sagt er: "Leute, wenn ihr Selfpublisher seid, schreibt, schreibt, schreibt. Alles andere ist Zeitverschwendung. Und genau diese habt ihr nicht." Zwei Beispiel aus seinem Blogschaffen.

Die Appelle sind auf alles anwendbar. Auch Kassandra warnte nur undeutlich vor der Arglist der Griechen, blieb jeden Hinweis auf das Innere des Pferdes schuldig. Von praktischem Nutzen ist uns auch Joe Konrath nicht. Gerade die US-Selfpublisher sind sonst Ratgeber und Begleiter. Joe Konrath verzieht sich wie im Nebel, wenn es um das Schreiben geht. 'Den Griechen ist nicht zu trauen!' und 'Tut, was ihr tun müsst!', beide Mahnungen überschreiten die Schmerzgrenze der Unschärfe.

Und doch. Konrath geht viel weiter als die andern Autorenblogs. Er erfasst Stimmungen und gibt ihnen Gestalt. Er hat vor allem ein Gefühl für das Timing. Die Selfpublisher sind weit genug, dass ihnen der Erfolg geneidet wird. Nicht von den Selfpublishern sollten wir beständig reden, sondern vom Schreiben. Die Trojaner fühlen sich als Sieger. Nicht was Kassandra und Konrath sagen, ist wichtig, sondern der Zeitpunkt.

Der Urgrund der Ängste ist ihre Weide. Das Orakel von Delphi. Der Finanzanalyst. Der Klimaapokalyptiker. Es funktioniert alles auf diesselbe Weise. Die Seher sind oft blind. In der Innenschau erfassen sie Dinge, die den Sehenden unsichtbar sind.

Joe Konrath hört in sich hinein. Er lächelt vielleicht, streichelt sich den Bauch oder reibt seine Brille. Und hört all die Stimmen der Selfpublisher vereint zu einer einzigen Stimme, die in Gedanken spricht. Wenn er aufblickt, ist sein Blogbeitrag fertig. Keine große Sache eigentlich.