Dienstag, 13. September 2011

Klagelieder eines Indie-Autoren

Ich bin erschöpft. Einzeln zähle ich langsam die Finger meiner Hand. Für die zweite Hand fehlt mir die Kraft. Meinen Roman schrieb ich mit zwölf Finger. Jetzt bin ich erschöpft.

Ende. Vorhang. Aus.

Vielleicht noch für eine letzte Klage finden sich die Worte. Eine letzte Klage , bevor die Augen fallen und ihr nicht mehr seid.

Google ist gründlich. Google Streetview hat keinen Grashalm erdweit ausgelassen. Google Book Scan war in der hinterletzten turkmenischen Schreibkombüse. Alle Bücher aller Zeiten aller Länder - vom Richter ins Netz gelassen. Amazon gibt die gesamte Backlist aller uns zeitgemeinsamen Autoren als 'Prime'-Flat heraus. Jetzt werden auch die  Lebensstylisten readern. Smashwords wird in diesem Jahr einhunderttausend Books von Indies konvertiert haben. Da ist er mein emotionaler Totalschaden, das brennende Blech meiner Hoffnungen!

Als kleiner Junge war ich beeindruckt von unserer Stadtbibliothek. Sooviele Bücher! Ich werde ein ganzes Leben brauchen, um sie zu lesen. Als großer Junge betrachte ich die Speicherformationen, die auf uns zuwandern. Unsere Stadtbibliothek gefüllt mit Servern. Eine digitale Milchstraße. Eine mit gezipptem Sand aufgeschüttete Insel. Nur die Kuppe ist sichtbar. Darauf eine Palme für den Schatten. Ein kleiner Tisch für ein kühles Getränk. Ein Liegelesestuhl. Der Rest der Zipkörner liegt für immer unter dem Meeresspiegel.

90 % aller gelesenen Bücher werden bei den Buchpiraten heruntergeladen. Ich bin nicht bereit, die Existenz der Buchpiraten auch nur aus dem Augenwinkel heraus anzuerkennen. Sie fahren auf Feldwegen und Schlammpfaden. Dort fahre ich nicht mit meinem neuen Wagen. Leider nicht. War ein Fehler, denn zu Schrott gefahren wurde mein Wagen auf einer normdeutschen Bundesautobahn.

Es ist nicht gerecht. Ich stand an der Seite der ersten Ereader, als niemand an sie geglaubt hat. Der Sony 505. Ich habe mich bekannt. Ich habe ihn in seinem Kinderwagen gefahren. Und wie werde ich von ihm belohnt? Jetzt fährt er mir mit seinem 6-Tonner den Wagen zu Schrott. Ohne anzuhalten. Zerdrückt die Motorhaube, ohne es zu bemerken. Setzt aus voller Fahrt meinen Wagen in Brand.

Wofür schreibe ich noch? Ich schrieb, weil ich nicht nahen sah, was kam. Doch nun, da es sich vor mir erhebt, und nicht wegzurücken ist mit allen Geisteskräften, rufe ich euch an, denn meines Seufzens ist viel, und mein Herz ist betrübt.