Montag, 19. September 2011

Die Piraten - meine Wahlanalyse

Wahlanalysen gibt es jetzt zuhauf. Warum nicht an dieser Stelle eine weitere hinzufügen? Die wenigsten der Wahlbeobachter kennen die Piraten. Da wird auf die Schnelle getwittert und gegoogelt. Das muss reichen. Mir reicht es nicht.

Die jugendliche Optik ist der erste Grund für den Wahlerfolg. Seht euch die Wahlnachredenrunden an: Alles überaltertes Personal. Seht euch die Gesichter und Halbkörper über den Fernsehtischen an: Entweder wie die Hefe aufgegangen oder wie Dörrobst eingeschrumpelt. Die jüngste Partei noch die FDP. Doch weitere zehn Jahre darunter: die Piraten. Ich wage mal die Ansage: Die Piraten sind gewählt worden, weil sie jung sind! Weil ihre Gesichter jung sind. Ich rede nicht von Habitus und Wortwahl, einfach nur von der Optik.

Was unterscheidet sie dann von FDP? Ihr kennt alle den Klassensprecher, der schon in Klasse 11 in eine Partei eintritt - natürlich die seines orsvorstehenden Vaters - um Politiker zu werden. Er nimmt Rhetorikkurse, er meldet sich, wenn alle schlafen wollen, er engagiert sich, wo es den Lehrern auffällig ist, er ist gut im Reden und langsam im Denken. Das ist die FDP! Die Gesichter sind so jung wie das Gesicht unseres Klassensprechers. Aber es ist das Gesicht seines Vaters - ein eigenes hat er nie besessen.

Die Piraten werden wegen ihrer Jugendlichkeit auch in anderen Ländern erfolgreich sein. Das Wahlprogramm mag selbst für eine virtuelle Stadt wie Berlin irreal sein. Aber was nützt das beste Programm, wenn der Vertreter wie ein Totengräber daherkommt. Verpackung ist alles. Design oder Nichtsein heißt es im Einzelhandel.

Aber es gibt auch eine zweite, eine tiefere Ursache. Es ist nicht nur die Optik. In Deutschland stehen sich die Versorgten und die Unversorgten reichlich unvermittelt gegenüber. Der Staat hat sich erschöpft. The Basar is over, sozusagen. Die Jungen müssen ihr Heil in der Selbstständigkeit suchen. Diese Generation unterscheidet sich nicht nur optisch von der vorherigen. Diese ganze Generation verbindet mit den Piraten ein anarchistisches Lebensgefühl.

Die Studenten, die in diesem Jahr mit doppelten Jahrgang die Unis belegen - für sie wurde keinerlei Vorsorge getroffen. Aber der Staat führt Krieg in Afghanistan. Berufseinsteiger, deren Lohn zur Hälfte aus Sozialabgaben bestehen, in deren Genuss sie niemals kommen werden. Ein Schneeballsystem. Aber die Politiker denken nicht entfernt an eine generationengerechte Renten- und Pensionsreform. Junge Selbstständige, vor deren Augen die wenigen Kredite von den europäischen Überschuldungstaaten weggesaugt werden. Das ist gelebte Wirklichkeit.

Die DEUTSCHLAND, das große Kreuzfahrtschiff ist voll belegt. Starten wir also die kleinen, wendigen Schnellboote. Eine Generation macht sich auch politisch seetüchtig.