Dienstag, 7. Juni 2011

I.16 Piraten - Freund oder Feind?

Schreiben wir ein bisschen, wie alles anfing mit den Ebooks in Deutschland. Kramen wir ein bisschen in einer weitgehend unbekannten Geschichte. Danken möchte ich Unbekannt, der meine Recherchen entscheidend ergänzt hat.

Die Buchpiraten waren lange unter sich. Im Austausch wurde digitalisiert und gelesen. Wenig drang nach außen. Es war eine heile Welt. Dann entdeckten die deutschen Verlage das Thema >Ebook<. Das heißt, eigentlich entdeckten sie nur, dass der Verkauf von Ebooks in Amerika Rekord nach Rekord aufstellte. Wer jetzt gedacht hatte, dass die deutschen Verlage auch einsteigen würden, sah sich getäuscht.

Wenige Verlage, meist internationale wie Random House, aber auch Droemer und Knaur setzten auf die Digitalisierung ihrer Inhalte. Die anderen Verlage diskutierten den neuen Trend weg. Als das nichts half, ließen sie ihre Rechtsanwälte auf die Buchpiraten los. Von vornherein sahen die deutsche Verlage die Ebooks als Bedrohung ihrer Existenz an.

Das alle Aktivitäten vereinigende, damals halb legale DocGonzo-Forum machte dicht, nachdem  der Gründer ein Interview bei heise.de gegeben hatte.  Die Kulanzzeit von 2 Jahren, die für neue Werke zum Schutz der Autoren galt, fiel. Die vormals idealistischen Buchpiraten wanderten in die Anonymität der Warez (= Piraten) Szene ab. Die Hörbücher - nicht Musik oder Film - waren das digitale Medium, welches die Piraten von Beginn an beherrschten. Ein riesiger Markt ohne erwähnenswerten Anteil des Buchhandels! Heute noch sind kaum Audiobooks in den Regalen zu finden, obwohl sie sich großer Popularität, besonders bei den männlichen Konsumenten erfreuen. Die Warez Szene der Audiobooks aber war gegen Rechtsanwälte bestens gerüstet. Ab jetzt marschierten Audio- und Ebooks Seite an Seite.

Was sollten die Verlage machen? Auf der einen Seite scannten die Buchpiraten die allerneusten Bestseller. Jeder, der einen der neuen Ebook-Reader sein eigen nannte, und googlen konnte, wandert  zu den Piratenboards ab. Das war aber nur die eine Seite der Medaille - gar nicht mal die entscheidende. Die Buchpiraten erfuhren auf vielerlei Art Unterstützung von den digitalen Global Playern wie Amazon, Google und Apple. Deren Kalkül war einfach: Wenn wir die Buchpiraten jeden Bestseller machen lassen und dafür sorgen, dass möglichst viele Ebook-Reader verkauft werden, dann wird den Verlagen nichts anderes übrig bleiben, als ihre Paperbooks auch als Ebooks zu releasen. Den Verlagen entgeht sonst das neue Geschäft und selbst die Paperbook-Verkäufe werden - wegen der Buchpiraten - über kurz oder lang einbrechen.

Denn es wird manchmal vergessen: Die Großen Drei haben ein Problem. Sie haben keine eigenen Ebooks. Die Schriftsteller waren und sind alle bei den Verlagen. Gerne würde Amazon Rabattaktionen wie in Amerika und England fahren, aber die Buchpreisbindung und das Inhaltsmonopol der deutschen Verlage verhindern es. Sie müssen lieb und freundlich tun und die Ebooks von der Herstellern erwerben. Noch sind sie reine Weiterverkäufer, die am Gängel der deutschen Verlage hängen.

Genau da kommen die Indie-Autoren ins Spiel! Wer sich gewundert hat, dass eine Szene in atomarer Größenordnung soviel von sich reden macht - hier ist die Erklärung. Amazon und Co. müssen Inhalte von eigenen oder übergelaufenen Schrifstellern anbieten, wenn sie Ebooks zu eigenen Preisen verkaufen wollen. Das ist der Grund, warum das Kindle Direct Publishing (= KDP) durch die Medien gegeistert wird. Durch Aufbau einer eigenen sympathischen Indie-Szene geht Amazon Schritt für Schritt in Richtung eigener Ebooks, während die deutschen Verlage sich selbst auf den Füssen stehen. Der Verzicht auf 70 % der Tantiemen ist ein sagenhaftes Einstiegsangebot, auch und gerade für Bestsellerautoren. Sie zu gewinnen ist das eigentliche Ziel von Amazon.

Wir unbekannten Indie-Autoren sitzen neben den anonymen Buchpiraten im Beiboot von Amazon. Solange wir von Nutzen sind, zieht das große Schiff uns mit. Könnte das nicht der Beginn einer überraschenden Freundschaft sein!?