Montag, 6. Juni 2011

I.14 All das Bestsellerzeug ...

Der BMW X3 fahrende Collegevampir, der 96. Serienmörder aus Ystad, die vershoppten Amerikanerinnen, diverse Killermönche, der endgültige Islamistenjäger - sie alle bevölkern die Ebook-Szene. Das sollte uns klar sein.

Die Gestalten sind eindimensional, sie handeln schnell, überlegen wenig. Sie sind triebgesteuert und moralschwach. Es herrscht Gewalt und Unlogik. Die Gesichtszüge sind kantig und grob, die Smiley-Mimik reicht ihr völlig. Kein Roman findet ein Ende. Jeder Markenheld ist allzeit bereit, von den Verlagen zu den Waffen gerufen zu werden. Den Film, der gedreht werden wird, kann der Leser vor seinem geistigen Auge schon sehen. Die Werbepausen sind angedacht und bereits ausgeschrieben. 

Wir befinden uns auf einer Kirmes. Alle Handlungen in einer Endlosschleife. Die Rollen sind klar verteilt: die Rosen werden geschossen, die Geister angedunkelt, >hui hoh<, >hah hih< und >uih uuh<. Niemand wird auf die Geister schießen, keine Achterbahn fette Würstchen verkaufen, die Hellseherin nicht mit dem Boxen anfangen.

Vielleicht werden wir eine neue Blüte des Flüsterns erleben, eine große Symphonie der Zwischentöne, eine Orgie der Andeutungen? Mitnichten! Es kommt eine neue Kirmes, im neuen Jahr zur selben Zeit am selben Ort! Niemand wartet auf Neues. Das Alte noch schneller, noch lauter, noch brutaler. In den Serienkiller setzen wir alle unsere Hoffnung. Von ihm könnte das Wort kommen: > Schluss mit dem Kirmeskram!<

Es ist Zielgruppenschreiben. Die Frage: >Wer soll das lesen?< ist keine Frage, die ein Autor sich gerne stellt. Doch sie ist wichtig, weil die Leser nicht mehr auf der Suche sind. Sie sind medial übersättigt. Jeder ist einfach nur froh, wenn er nicht platzt. Die jeweilige Zielgruppe wird von drei Richtungen aus bedient. Die Hauptrichtung kesselt die geistigen Dauerabonnenten ein. Zwei Nebenrichtungen fangen einerseits die Vorauseilenden und andererseits die Zurückblickenden ein. Das ist ein ziemlich perfektes System. Auch wir Self-Publisher müssen deshalb lernen, unser Publikum zu verstehen. Uns muss klar sein, wer am Ende unser Buch lesen soll.

Selbst anspruchsvolle Leser sind froh, wenn sie alte Bekannte treffen, die sich nicht groß geändert haben. Der Kommissar in der Scheidungs- und Alleinerziehungs-Endlosschleife! Wer denkt, nur Vampire seien eindimensional, soll sich die Schriftstellerinnen ansehen, die immer genau dann einen Roman aufwärmen, wenn der andere vergessen ist. Ach, da ist sie ja wieder, unsere Donna Leone! - Wie war das noch bei ihr? - Ach ja, dieses schöne Venedig, das eigentlich ganz schmutzig ist! Nicht anders die vielen Frauen, die sich immer aufs Neue aufmachen, ihre Kinder lokalkoloritär aus den Händen von pakistanischen, iranischen, usbekischen und schaurig schwarzafrikanischen Ehemännern zu befreien - gerade dann aufbrechen, wenn alle Tränen all ihrer Leserinnen geweint sind.

Wir sind zu einer Bestsellerkultur verkommen. Ich lese, weil die Nachbarin liest. Ich lese, was die Nachbarin liest. Die große Gemeinschaft der Konsumentinnen - niemanden lässt sie ratlos oder gar unentschieden zurück. Der Schwund der Leserschaft - entweder sie sterben oder sie laden Ebooks runter - sowie die hohen Ladenmieten lassen sich nur über Steigerung des Kaufdrucks oder über eine Ausweitung des Angebots ausgleichen. Wo früher Literatur angeboten wurde, stehen jetzt die >Non-Book<-Artikel: die süßen Stoffhasen aus chinesischen Lagern, ausreichend witzige Teetassen und die pädagogisch wertvollen Von-der-Oma-für-den-Enkel-Spiele.

Dagegen trete ich an mit meinem Selbstverlag. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich vor Lachen heulen. Ich will hier keinem von euch den Mut nehmen. Aber ein bisschen wie Don Quijote werden wir am Ende dastehen. Dem Ritter von der traurigen Gestalt. Alles ist gebrochen, was zu brechen war. Unseren Stolz und unsere Ideale aber haben wir nie verloren!  Ein Kampf gegen Riesen, die nichts weiter als Windmühlen sind. Wer mutlos ist, bleibe zu Hause. Es gibt Kämpfe, die werden nicht geführt, um sie zu gewinnen!