Dienstag, 6. September 2011

Der Indie-Autor und das Kellerkind

Da wir uns als Szene mit Anwürfen auseinanderzusetzen haben, ist es vielleicht nicht darauf hinzuweisen, dass die Eingrenzung des Begriffes 'Indie' immer schwieriger wird.

Ein 'Indie' ist ein verlagsunabhängiger, digitaler Selbstverleger. Beides steckt in dem Begriff: 'Ebook' und 'ohne Verlag'. Ein Indie lädt sein Buch direkt und digital auf den Schreibtisch des Lesers hoch.

Wenn David Gray für sein nächstes Buch einen Verleger 'findet', ist er dann kein Indie-Autor mehr? So könnte ein Autor mal Indie sein und mal nicht, je nachdem, für welches Buch er einen Verlag gefunden hat, für welches nicht. Hier ist die Unterscheidung immerhin noch zu ziehen, auch wenn sie nicht sinnvoll erscheint.

Wie werden es aber sehr bald mit den ersten 'Indie-Verlegern' zu tun haben. An sich ist ein 'Publisher von Selfpublishern' ein Sinnwiderspruch. Sei's drum. Die Dienstleistung wird kommen und sie wird sehr sinnvoll sein. Ihr könnt euch bei Smashwords ganz einfach als Verleger anmelden. Schaut euch die riesige Liste an!

Es zeigt sich immer mehr, dass in der Indie-Szene ein Mangel an Qualität besteht. Die Verlage mögen sich besonders in Deutschland zu Windjammern des Buches entwickelt haben. Moderne Schiffe sehen sicherlich anders aus, aber eine intensive Arbeit an dem Buch hat dort fraglos stattgefunden. Ich erkenne oft am ersten Kapitel, ob ich einen Indie lese oder nicht. Die Indies überfrachten den Beginn regelmäßig, weil sie sich nicht in den Leser hineinversetzen, dem Situation und Figuren unvertraut sind. Solche Fehler merzt ein Lektor aus.

Er wird weiterhin direkt in den EReader des Lesers veröffentlichen - der Indie-Verleger ist ein EPublisher - aber viele Dinge rund um sein Buch kann ein Autor nicht allein oder nur schlecht lösen. Formatierung, Cover, Lektorat, Promotion, Übersetzung kann der Autor sich einzeln als Dienstleistung besorgen (wie J. K. Rowling) oder eben im Paket. In jedem Fall wird er sein Buch schwerlich allein auf Verlagsniveau heben können.

In US sind viele Literaturagenten zu Indie-Publishern geworden, die für den Autor die erforderlichen Dienstleistungen zubuchen. Agent sein bedeutet ja nichts anders, als dass ich im fremden Auftrag agiere. Die unmittelbarste Bedrohung für die Weidegründe der Verlage geht von diesen EPublishern aus. Denn hier haben wir einen Marktteilnehmer, der den Markt ganz übernehmen will und kann.

Die Anforderungen an diese EPublisher sind literarisch handwerklicher Art. Natürlich. Dort aber sehe ich, dass die Indie-Autoren viel Freiheit behalten werden. Die neuen Agenten/Verleger weisen dem Autor hautpsächlich einen Weg durch den Dschungel des Internets. Sie sind mehr Fremdenführer als Herbergsvater. Ich denke an die ganzen fixen Jungs und Mädels, die 'Kellerkinder', die jeden Zugang zu jeder Internetbühne kennen und öffnen.

Ein Leser muss wissen, dass er von einem bestimmten EPublisher ein bearbeitetes und anständig formatiertes Buch bekommt. Ich denke, auf lange Sicht wird zwischen Leser und Indie-Autor immer ein Indie-Verleger als Garant für die Qualität stehen müssen.

1 Kommentare:

David hat gesagt…

Lieber Peter,

Ich stiess erst jetzt – wie so oft – etwas verspätet auf Deinen Blogpost, den ich sehr gelungen und gut recherchiert finde. Deine Beobachtungen vor allem zur zukünftigen Rolle der Agenten im Verlagsgeschäft treffen zweifellos ins Schwarze. Auch schon vor der Buchmesse brummte ja die Gerüchteküche in Bezug auf diese Entwicklungen recht heftig.
Was meine eigene Rolle als Indie-Autoren betrifft, so kann ich nur sagen, dass ich nichts dagegen habe, zu angemessenen Bedingungen auch einen Vertrag mit einem der großen Publikumsverlage zu schliessen.
Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist mein Agent aktuell gerade mit zwei meiner umfangreicheren Arbeiten unterwegs um Verlage zu „shoppen“.
Wird nach einem Vertrag zwischen mir dtv, Piper oder Random House meine Rolle als Indie-Autor unglaubwürdig?
Ich glaube nicht.
Für diese Überzeugung gibt es gute Gründe:
Erstens werde ich ja nicht nur deswegen, weil einer oder mehrere meiner Titel auch im Print mit einem Verlagslogo auf dem Cover an die Leser gebracht werden, damit auch zugleich alle meine Indie Ebook Titel aus dem Verkauf auf Amazon.de oder Beam.de zurückziehen.
Zweitens, wird jeder kluge Verleger bzw. Verlagslektor ja seine Augen nicht davor verschließen wollen, dass sich mein Indie Ebook Titel „Wolfswechsel“ seit fast 100 Tagen in den Kindle–Charts hielt, was immerhin ein Indiz dafür darstellen könnte, dass der Autor David Gray irgendetwas richtig gemacht haben mussten, und zwar nicht nur im Marketing seines Ebooks, sondern offenbar und vor allem auch was Schreibstil und Plot angeht. Im Gegenteil, wird das eher noch einen zusätzlichen Anreiz dafür darstellen mit Herrn Gray ins Geschäft zu kommen.
Und ich bin doch zweifellos beileibe nicht der erste und einzige im deutschen Ebook Markt, dem sein Indie-Erfolg (wie moderat auch immer) die Chance auf einen Vertrag mit einem der großen oder mittleren Publikumsverlage eröffnete.